04 Juli 2025

 6. Tag: Von Arnheim nach Utrecht




Manchmal versteckt sich in der Idylle das schlichte Grauen. Unser B & B mit den wunderschönen Tellern und Töpfen ist nur eine Seite der Geschichte. Auf dem Flur hängt eine riesengroße Schwarzweissaufnahme von Arnheim vor dem II. Weltkrieg. Heute Morgen im Frühstückszimmer kommen wir mit 2 Walisern ins Gespräch, die die "Liberation Route" gefahren sind von "Market Garden" in Belgien bis "Brücke zu weit" in Arnheim. Die ganze schrecklichen Kriegsereignisse wollte ich gestern nicht erzählen und heute eigentlich auch nicht, aber eine Geschichte hat mich heute Nacht schon umgetrieben und heute Morgen haben mir die Jungs aus Wales bestätigt, dass das wirklich geschehen ist. Die Kämpfe um Arnheim waren heftig, amerikanische und englische Generäle haben fürchterliche Fehlentscheidungen getroffen, die viele Menschenleben gekostet haben. Aber noch schlimmer war, dass die Wehrmacht, "Arnheim" wegen seiner Kollaboration mit den Alliierten bestraft hat, indem sie die ganze Stadt "evakuiert" hat, im Klartext 100.000 Menschen aus ihren Häusern und aus der Stadt getrieben haben - und sie dann ihrem Schicksal überlassen haben. Wer denkt sich solche sadistischen Gräuel aus. Anschließend wurde die Stadt zur Plünderung frei gegeben. "Als Entschädigung für die Unkosten". Heute Nacht ging mir so durch den Kopf, wenn Soldaten marodierend durch die Häuser ziehen, dann nehmen sie mit was wertvoll ist und so klein, dass sie es in die Tasche stecken können. Ich bin mir sicher, dass sich viele Ehefrauen darüber gefreut haben, dass Ihr Ehemänner nicht nur gesund vom Kriege heimgekehrt sind, sondern auch ein kleines "Mitbringsel" dabei hatte. Wie viel Kriegsbeute ließe sich wohl in deutschen Schmuckschatullen der Omas finden. Und wer weiß, vielleicht hat Oma ihrer Enkelin auch eine nette Brosche vermacht. Das wäre doch der Anfang eines interessanten historischen Romans. Wie sich eine Enkeltochter frägt, wie die Ohrringe wohl in den Familienbesitz gekommen sind.
Das Frühstück in unserem B&B war so spektakulär wie das Zimmer, selbstgemachte Marmelade, selbstgemachtes Birchermüsli, selbstgemachter Vitamintrank- wirklich super! Mit Messerbänkchen, Blumen auf dem Tisch und Stoffservietten. 



Kein Wunder, dass wir erst recht spät auf's Rad steigen konnten. Auf der Strecke Richtung Utrecht sind wir immer wieder auf Gedenkstätten, Soldatenfriedhöfe und Flakgeschütze etc.





Auf dem Soldatenfriedhof von Grebbeberg liegen einige Hundert holländische Soldaten, die  beim Überfall der Wehrmacht zu Anfang des Krieges gefallen sind. Warum sind die Toten auf Soldatenfriedhöfen immer in Kompaniestärke, in Reih und Glied beerdigt worden. Wird etwa auch im Himmelreich noch exerziert? Zwo, drei, vier!

Damit genug der Geschichte.

Die Radtour heute war einfach spektakulär!! Ich hätte nie gedacht, dass man in Holland fast den ganzen Tag durch Wald oder Alleen fahren kann. Der Buchenwald gleich zu Beginn der Tour heute war umwerfend. Solche Bäume habe ich schon lange nicht mehr gesehen.


Wer hätte solch "verwunschene" Waldseen in Holland erwartet?



Und nach den Wäldern die verschiedenen Rheinarme, Waal, Lek etc. 
Mal sind wir auf Dämmen gefahren, dann wieder durch nette lebendige Orte.
Und alles auf erstklassigen Fahrradstraßen!
Der sportliche Rennfahrer kann sich mittels Basketballmülltonnen sogar seines Mülls entledigen, ohne anhalten zu müssen.


Und dann kam Wageningen. Jetzt bist Du dran, Friederike.



frieda: Wageningen, ich erinnere mich gut, als wir Till besucht haben und heute sind wir tatsächlich den gleichen Damm entlang der Waal gefahren, ich glaube wir haben auch dein Wohnheim von weitem gesehen. 
Weiter ging's mit schönen grünen Wiesen, Wald und lauen Lüftchen, manchmal auch ein bisschen mehr Wind. Und mit Hügelchen auf und ab. Heute waren es wieder 450 Höhenmeter. Von wegen Holland ist nur plattes Land.


Ein super Radwegnetz hier und gut ausgeschildert. Und wenn mal kurz die Autos auf der Radstraße fahren dürfen, dann nur als Gäste:



Die Fahrradwege sind sehr gut angelegt, Ampeln an denen die Räder zuerst grün bekommen, Kreisverkehre mit eigener Spur die immer Vorfahrt hat, ein sehr ausgeklügeltes und kluges System. Und die Autofahrer sind sehr respektvoll, passen auf. Aber es sind einfach sehr sehr viele Radfahrer, an den Ampeln in der Stadt warten manchmal zwanzig, dreißig Räder neben und hintereinander, die einen biegen ab, andere überholen, puhh. Man darf langsam sein, aber nie etwas unerwartetes machen, so wie plötzlich anhalten oder einen Schlenker oder einfach abbiegen. Und alle müssen sich an die Regeln halten , wie z.B. rechts vor links. Ich glaube wenn man uns beide so zuckeln sieht mit den Radtaschen, ist man als normaler Radfahrer hier schon recht vorsichtig beim näherkommen oder überholen. 
Lieber einmal kurz klingeln, danke Leute, das ist echt nett! 

Utrecht ist toll, für eine Besichtigung des berühmten Doms war's leider zu spät aber nicht für das Sommerfeeling an der Gracht.

Bisschen schief und gar nicht alles drauf, sorry. Aber es war so eng und voll auf dem Platz.

Und hier schon wieder der Francois Villon, keine Ahnung wie er hier an den Dom kommt.







Beim Heimradeln rufen uns plötzlich zwei Leute hinterher, Sie haben meine Umhängetasche gesehen und sofort erkannt: 
eine Mochila aus Antioquia. Wir kommen ins Gespräch, die Familie wohnt tatsächlich in Envigado, wie wir auch damals, wir reden über das Krankenhaus, den großen Platz, die Ciclovía am Sonntag und natürlich auch über die Pablo Escobar Zeit, Rocío war damals noch ein Kind. Sie erzählen von ihrer Familie, und wir von unserer. Es ist so nett, wie immer mit Kolumbianern. Witzig, das ist jetzt schon das zweite Mal auf dieser Reise, und jetzt auch gleich noch ehemaligen Nachbarn.
Daniel und seine Tante Rocio aus Kolumbien.  

Heute übernachten wir in einem Wohnviertel und so wie es scheint, wird das eine unruhige Nacht: im Nachbarhaus steigt eine Schülerparty, die kommen und gehen, fahren als ganzer Trupp mit den Rädern vor, stürmen die Wohnung, streiten, sind ein bisschen betrunken, kreischen und lachen. Ist vielleicht Schuljahresende?


Hoffentlich kommen die Eltern bald nach Hause. 

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